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Schauplätze des Verfahrens.

Schauplätze des Verfahrens.
Topographie, Gestalt und Funktion von Orten des Rechtslebens

  • geeignet ab 3. Semester
  • Zeit: dienstags, 18-20 Uhr
  • Ort: Rechtsgeschichtliche Bibliothek, Universitätsring 4, EG

Gerichtssitzungen, Strafvollzug, Eheschließungen, Veräußerung von Grundstücken und viele andere Rechtshandlungen finden seit dem Mittelalter bis heute an fest stehenden Orten (einschließlich bei oder in bestimmten Gebäuden) statt. Jahrhunderte lang waren dafür Örtlichkeiten unter freiem Himmel in Gebrauch. So wurden Gerichtsversammlungen auf besonderen Plätzen (z. B. auf Hügeln, an Stadt- und Burgtoren, auf Kirchhöfen, auf Dorf- und Marktplätzen, auf Brücken, in Rat- und Wirtshäusern) abgehalten. Diese wiesen zumeist besondere Attribute auf (Bäume, Steine, Bänke, Tische). Strafen wurden auf besonders dafür ausgestatteten, d. h. mit Strafvollstreckungsvorrichtungen (Galgen, Rad, Pranger, Schafott, Rabenstein) versehenen, Richtstätten vollstreckt, die wiederum in einer topographischen Beziehung zu den Gerichtsplätzen standen. Eheschließungen fanden häufig vor Kirchenportalen statt, welche häufig ein besonderes rechtsikonographisches Programm aufweisen („Brautportale"). Grundstücke wurden im „offenen Ding", d.h. auf dem üblichen Gerichtsplatz übertragen. Erst in jüngerer Zeit (prinzipiell seit dem 19. Jh.) wurden diese Rechtshandlungen in speziell dafür errichteten Gebäude (Gerichtsgebäude, Gefängnisse, Verwaltungsgebäude) verlegt. Das Seminar will anhand von rechtsarchäologischen, rechtsikonographischen, rechtsvolkskundlichen und rechtssprachlichen Quellen Zusammenhänge zwischen diesen Örtlichkeiten und den damit verbundenen Rechtshandlungen verdeutlichen sowie mit den modernen Entsprechungen in Verbindung bringen.  Dazu sollen Referate und Hausarbeiten zu folgenden Themen vergeben werden (Auswahl):
1) Die Kirche als Rechtsort; 2) Der „freie Himmel" als zwingende Voraussetzung der Gerichtssitzung; 3) Plätze und Räume des Gerichts; 4) Plätze und Räume des Strafvollzuges; 5) Orte und Formen der Eheschließung; 6) Rituale bei Gerichtssitzungen und Hinrichtungen; 7) Essen und Trinken als rechtliche Rituale; 8) Rechter Ort und rechte Zeit als Wirksamkeitsvoraussetzungen für gerichtliches Handeln; 9) Erhaltene Reste von Galgen und Prangern in Mitteldeutschland; 10) Orte und Attribute der Sühne von Totschlägen; 11) Die Übertragung von Grundstücken; 12) Aller guten Dinge sind drei: Recht und Gericht in Rechtssprichwörtern; 13) Der Roland von Halle als Symbol und Ort des Burggrafengerichts; 14) Mond und Sterne - Ein Gerichtssymbol wird Stadtwappen von Halle; 15) Rote Türme, Rote Türen, Rote Bücher (auch „Schönfelder" ist rot!): Die Farbe Rot und das Recht; 16) Das Rathaus als multifunktionales Gebäude im Rechtsleben der mittelalterlichen Stadt; 17) Aufbruch in die Moderne: Frühe Gerichts- und Strafvollzugsgebäude; 18) Inszenierung und Funktionalität: Justizpaläste und Strafvollzugsanstalten; 19) Sinn und Funktion der Richter- und Anwaltsrobe; 20) Rechtsikonographische Aspekte des Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig

Die Seminarleistung besteht aus einem Referat und einer Seminarhausarbeit (Abgabe: 6.10.2008).

Am Mittwoch, den 30. Januar 2008, 18.00 Uhr, findet eine Vorbesprechung in der Rechtsgeschichtlichen Bibliothek (Universitätsring 4, EG) statt. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen.

Literatur

  • Markus Rafaël Ackermann: Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, in: ZRG GA 110 (1993), S. 530-545;
  • Stefan Albrecht: Mittelalterliche Rathäuser in Deutschland. Architektur und Funktion, Darmstadt 2004;
  • Barbara Deimling: Ad Rufam Ianum: Die rechtsgeschichtliche Bedeutung von „roten Türen“ im Mittelalter, in: ZRG GA 115 (1998), S. 498-513;
  • Nikolaus Grass: Der normannische Brauttor-Vermählungsritus und seine Verbreitung in Mitteleuropa, in: Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 5 (1983), S. 69-93;
  • Frank-Dietrich Jacob/Hans-Joachim Krause: Ostdeutsche Rathäuser, Leipzig 1992;
  • Klemens Klemmer/Rudolf Wassermann/Thomas Michael Wessel: Deutsche Gerichtsgebäude. Von der Dorflinde über den Justizpalast zum Haus des Rechts, München 1993;
  • Gernot Kocher: Zeichen und Symbole des Rechts. Eine historische Ikonographie, München 1992;
  • Thomas Krause: Geschichte des Strafvollzugs. Von den Kerkern des Altertums bis zur Gegenwart, Darmstadt 1999;
  • Heiner Lück: Schauplätze des Verfahrens. Zum Verhältnis von Gerichtsherrschaft, Gerichtsort und Richtstätte im frühneuzeitlichen Kursachsen, in: Jost Hausmann/Thomas Krause (Hg.): „Zur Erhaltung guter Ordnung“. Beiträge zur Geschichte von Recht und Justiz. Festschrift für Wolfgang Sellert zum 65. Geburtstag, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 141-160;
  • ders.: Über den Sachsenspiegel. Entstehung, Inhalt und Wirkungen des Rechtsbuches, 2. Aufl., Dößel (Saalkreis) 2005;
  • ders.: Gerichte in der Stadt. Konkurrenz und Kongruenz von Gerichtsbarkeiten in Kursachsen während des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Helmut Bräuer/Elke Schlenkrich (Hg.): Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Festschrift für Karl Czok zum 75. Geburtstag, Leipzig 2001, S. 567-585;
  • ders.: Von Jungfrauen, Bräuten und Steinen. Der „Brautstein“ als Element archaischer Eheschließungsrituale, in: Sybille Hofer/Diethelm Klippel/Ute Walter (Hg.): Perspektiven des Familienrechts. Festschrift für Dieter Schwab zum 70. Geburtstag am 15. August 2005, Bielefeld 2005, S. 205-226;
  • Jürgen Martschukat: Inszeniertes Töten. Eine Geschichte der Todesstrafe vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000;
  • Wolfgang Schild: Alte Gerichtsbarkeit. Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung, München 1980.

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